… das vermutlich schnellste und spontanste Cosplay bzw Kostüm, das ich jemals gemacht habe 😀

Die Geschichte, wie und warum ich ein Kostüm in ich glaube 6 Tagen gemacht habe und es bis dahin wohl eines der besten jemals geworden ist… Gut, das Beste ist relativ, aber es sind ein paar tolle Fotos bei rausgekommen, so viel kann ich auf jeden Fall sagen. Geplant war ursprünglich, also vor ein paar Monaten, dass meine Freundin und ich ein zueinander passendes Kostüm auf dem Mittelalterlichen Phantasie Spectaculum (MPS) in Speyer tragen würden. Und wir hatten uns auf das Motto “Unterwasser verständigt. Was dann kam, war die neue Prime Serie Good Omens und wir waren beide total hyped und fasziniert, was ja auch dazu geführt hat, dass ich alle anderen Cosplans erst einmal auf Eis gelegt und Kostüme für die beiden gemach habe. Die wollten wir dann eigentlich auf dem MPS tragen, zumindest bis der Wetterbericht für den Samstag der Veranstaltung kam und es richtig heiß werden sollte – suboptimal für Kostüme mit langen Hosen und Mänteln. Deshalb hieß es wieder back to Unterwasser. Weil ich jedoch meine ganze Energie in den Engel und den Dämon gesteckt hatte, immer mit der Ausrede im Hinterkopf, zum Unterwasserthema hätte ich ja massig parat, stand ich dann, sechs Tage vor dem MPS erstmal ganz baff da und realisierte: Nein, ich hatte kein einziges Unterwasser Kostüm, das ich vorhatte zu tragen. Meine Grundidee war gar nicht so dumm, weil ich tatsächlich oft Unterwasser thematisierte Kostüme geplant und angefangen hatte: mein erstes selbstgemachtes Kostüm fürs MPS 2016, ein weiteres 2018, ein gekaufter Bodysuit für Mera und theoretisch ein Outfit meiner Unterwasser Party. Aber… das Kostüm 2016 war sehr freizügig, da hatte ich noch ein paar Kilos weniger auf den Hüften, mit dem Kostüm an sich war ich sehr unzufrieden und hatte Teile davon schon auseinander genommen. 2018 lief eigentlich so ziemlich alles schief und ich wollte es nicht einmal ein fertiges Kostüm nennen. Das Unterwasserparty Outfit habe ich leider auch nie fertiggestellt und Mera war zwar im Prinzip cool und den Dreizack hätte ich vielleicht auch in den 6 Tagen fertig bekommen, aber eine Comicfigur, deren Kostüm auch noch gekauft war, hätte wohl kaum auf einen Mittelaltermarkt gepasst, auch wenn man dort sein kann was man will.

aufgenommen auf dem MPS von Oliver Reichertz Photography

Deshalb musste dringend etwas Neues her. Ich habe mich also abends hingesetzt, mir ein Blatt Papier und einen Bleistift genommen und angefangen, Brainstorming zu betreiben. Habe alle möglichen Pinnwände auf Pinterest, Ordner auf meinem Handy und andere Ideen durchgesehen, bis ich schließlich auf das Bild einer Korsage gestoßen bin, die ich im vorherigen Jahr entdeckt hatte. Diese konnte ich mir zwar nicht leisten, fand die Idee des Schnitts aber sehr ansprechend, sodass ich sie sofort nachnähen wollte. Und so sponn sich langsam eine Idee in meinem Kopf zusammen. Vom letzten Jahr hatte ich noch eine Muschel aus Worbla, die eine Brust verdecken sollte, welche leider nicht wirklich gehalten hatte. Eine Hose bräuchte ich bei dem heißen Wetter nicht, also lieber einen Rock konstruieren. Naja und mehr brauchte es eigentlich gar nicht.

Als es an Material und Farben ging, habe ich hin und her überlegt, was wohl gut aussehen würde. Eigentlich hätte ich gerne schwarzes Leder verwendet, kam dann aber zu dem Schluss, dass Rotes fast noch interessanter wäre. Und irgendwann beim Betrachten des roten Leders und der Muschel kam die Assoziation: Arielle. Es war also nicht mein Plan von Anfang an, ein Arielle inspiriertes Kostüm zu gestalten, es lief irgendwie mehr zufällig darauf hinaus. Sehr gerne wollte ich dem ganzen auch einen Steampunk/Western Flair verpassen, ohne dass es zu übertrieben wäre. Das war denke ich eine gute Entscheidung, denn so kann ich immer noch für einzelne Anlässe viel Variation in das Kostüm hinein bringen. So gut wie alles an Material hatte ich auch schon vorrätig zuhause:
– rotes Leder (Echtleder, das waren Reste die ich mal gekauft hatte)
– ein schwarzer, glänzender Stoff, etwa 70cm auf volle Breite
– sehr viel schwarze Baumwolle und dickeren Stoff zur Verstärkung
– einen türkisen Stoff, irgendeine Art Crêpe oder so, definitiv Kunstfaser, davon hatte ich 3m
– ein paar Meter Stäbchen

Materialkombination

Das war zunächst einmal genug, um mit der Korsage anzufanden. Sie würde das Herzstück des Kostüms werden und mit Sicherheit am längsten dauern. Ich hatte es zwar sicher irgendwann schon einmal abgezeichnet, aber ich wollte auf Nummer Sicher gehen und habe mir ein Schnittmuster von einer meiner gekauften Unterbrust Korsagen abgenommen. Die Technik ist die gleiche wie beim Nachnähen von T-Shirts, nur dass man hier nicht ein großes Stück für die Vorder- und eines für die Rückseite hat, sondern eben 5 oder 6. Um jedes einzelne Schnittteil zu bekommen, muss man immer abwechselnd die obere und die untere Kante langziehen, da jedes Schnittteil eine leicht sanduhrförmige Natur hat und deshalb auch die Korsage am Körper anliegt, nicht aber glatt auf dem Boden. Der Prozess des Schnittmuster Übertragens hat mich vielleicht eine Stunde am Abend gekostet. Um von einer Unterbrust auf eine körbchenlose Halbbrust zu kommen, habe ich an jedem Schnittteil noch einige Zentimeter nach oben angebaut, immer im selben Winkel. Außerdem kommt noch eine Nahtzugabe an den Seiten, nicht aber an der Ober- und Unterkante, hinzu. Bei der Konstruktion von Körbchen tue ich mir manchmal schwer, deshalb ist es leider auch in diesem Fall kein Meisterwerk geworden, aber glücklicherweise wird es von der Muschel verdeckt. Theoretisch sollte es funktionieren, indem man einen BH mit Frischhaltefolie und Panzertape umwickelt, das ging hier leider etwas schief.

Nichts desto trotz habe ich damit gearbeitet, bei den vorderen zwei Teilen der Korsage angezeichnet, wo Platz für das Körbchen geschaffen werden müsste, und alles aus drei Lagen Stoff ausgeschnitten. Einmal aus dem schwarzen “Satin” oder so ähnlich, einmal aus der schwarzen Baumwolle und einmal aus einem Rest dickeren Stoffes zur Stabilisierung in der Mitte. Weil die Korsage am Ende aus zwei separaten Teilen besteht, die mit Schnürung und Reißverschluss zusammen gehalten werden, muss man auch jede Lage so zusammen nähen, dass man ein linkes und ein rechtes Teil hat. Besonders Acht geben muss man hier auch wegen der Asymmetrie, denn eine Seite, die von mir aus gesehene rechte, ist eine bloße verängerte Unterbrustkorsage, während bei der linken die Aussparung für das anschließend einzunähende Körbchen bleibt. Ich habe meine Schichten so genäht, dass die äußere sowie die mittlere mit ihren offenen Kanten zum Körper hin zeigen, während die unversäuberten Kanten der Innersten nach außen zeigen. Dadurch sind am Ende alle offenen Kanten innerhalb der Korsage versteckt. Die Kanten werden außeinander gebügelt und auf die nicht sichtbare mittlere Schicht habe ich mit etwas Schrägband (zugeschnittene Streifen aus Reststoff) einen Tunnel auf jede der Nähte gesetzt. Dieser hat eine Breite ein klitzekleines bisschen über der der Stäbchen, sodass diese hineinpassen, aber nicht herum wackeln. Das gleiche Prinzip gilt auch für das Körbchen, wobei ich mir im Nachhinein hier den Tunnel hätte sparen können, denn ein Stäbchen an dieser Stelle war äußerst unangenehm. Das Körbchen wird pro Schicht an den Rest der Korsage genäht und die Nahtzugaben eingeschnitten. Die äußere Schicht hat jetzt außerdem eine Verzierung aus Leder bekommen, das ich mit einer dicken Ledernadel (sehr wichtig!) problemlos annähen konnte. Eigentlich wollte ich die Lederapplikationen dekorativ mit etlichen goldenen Nieten versehen, leider hatte ich aber keine parat und konnte auch auf die Schnelle keine auftreiben, deshalb fiel dieses Dekoelement einfach weg.

Einiges musste ich mir doch noch neu kaufen, darunter ein Reißverschluss in 30cm Länge und mit goldenen Metallnähnen (teilbar!!!), neue Ösen und etliches an Satinband zum Schnüren am Ende. Der Reißverschluss kommt jetzt ins Spiel, denn an ihn müssen alle drei schichten zuerst angenäht werden. Das geht entweder separat für jede Schicht oder gleich alles auf einmal, je nach persönlicher Präferenz. So und so, zuerst muss der Reißverschluss geteilt werden, bevor er rechts auf rechts auf die äußere Schicht an die Mittelnaht angelegt wird. Hier kann man nach Belieben schon einmal alles festnähen. auf die äußere Zierschicht kommt außerdem noch die mittlere Verstärkung rechts auf links und auf die andere Seite des Reißverschlusses kommt nun die Baumwollschicht mit der rechten Seite zum Reißverschluss. Dieses Sandwich wird nun mit viel Geduld und einem Reißverschlussfüßchen zusammen genäht. Auf der Hälfte mit dem Schieber hatte ich einfach zu wenig Platz unter der Maschine und habe zuerst 2/3 der Naht fertiggestellt, versäubert, das Teil unter der Maschine hervorgezogen, den Schieber in den Bereich der bereits bestehenden Naht geschoben und das restliche 1/3 vollendet. Auf diese Weise ist der Reißverschluss schon einmal gut fixiert.

Hier habe ich auch gleich die Gelegenheit der richtigen Anordnung ergriffen und den Tunnel für die mittigen Stäbchen genäht. Dafür werden mittlere und innere Schicht Stoff links auf links geklappt, während der äußere Zierstoff zur Seite geklappt wird. Mit für das Stäbchen passendem Abstand werden diese zwei Schichten nun zu einem Tunnel verbunden, der von außen nicht zu sehen ist. Die Zierschicht wird im Anschluss rechts auf rechts auf die Baumwolle geklappt, sodass die Rückkanten aufeinander liegen, und es werden alle 3 Stofflagen verbunden. Wendet man das ganze jetzt, hat man saubere vertikale Kanten, aus denen in der Mitte noch der Reißverschluss heraus schaut. Diesen übrigens immer wieder testen, nicht dass er blockiert!

Nicht zwingend notwendig aber prinzipiell sehr empfehlenswert ist, den Stoff um den Reißverschluss noch einmal knappkantig abzusteppen. Auf diese Weise verfängt sich der Stoff nicht im Schieber. Da jetzt die Vorderseite relativ fertig gestellt ist, widme ich mich nun der zu schnürenden Rückenkante. Diese wird viel Stress ausgesetzt sein und bekommt deshalb nicht nur zwei Tunnel mit Stäbchen, die von außen über alle 3 Lagen abgesteppt werden, sondern auch noch einen Streifen Schabrackeneinlage. Ob das nötig ist, weiß ich nicht, aber es gibt mir ein etwas besseres Gefühl. Einmal hat das jedoch für erhebliche Probleme unter der Nähmaschine gesorgt, also diesen optionalen Schritt würde ich nicht uneingeschränkt empfehlen. Jedenfalls habe ich einen Streifen in der Breite von circa 3 Tunneln (zwei mit Stäbchen gefüllte und ein leerer für die Ösen) von innen an die nach außen bereits abgeschlossene Kante geschoben und die Schabracke durch das Nähen des ersten Tunnels fixiert. Sind nun 3 Tunnel direkt aneinander fertiggestellt, geht es weiter mit dem Ösenschlagen.

Theoretisch sollten die Ösen von Prym auch mit deren Zange fixierbar sein, aber dafür fehlt mir wohl die Kraft in der Hand. Die Zange habe ich verwendet, um Löcher in einem gleichmäßigen Abstand von 3cm in die mittleren Tunnel zu stanzen. In diese stecke ich von rechts den großen Teil der Öse, lege den kleinen Teil mit der innen hochgewölbten Kante nach oben auf das Werkzeugteil mit dem hervorstehenden Knubbel und halte dieses von unten an die Öse. Ich verwende zum Befestigen das mitgelieferte Plastikteil zur Werkzeug-Befestigung und einen kleinen Hammer. Um ein durch die Schläge verursachtes Verschieben zu verhindern, halte ich das Plastikteil fest geschlossen in der richtigen Position, während ich mit mäßiger Kraft einige Male darauf schlage. Im Anschluss prüfe ich jede Öse einzeln, ob sie sich noch im Stoff drehen lässt: wenn ja, schlage ich sie noch etwas fester ein.

Jetzt geht es an die Stäbchen. Die Oberkante beider Korsagenteile habe ich schon einmal mit etwas weniger als der letztlichen Schrägbandbreite abgesteppt (5-7mm), bevor in jeden der Tunnel ein Stäbchen gesteckt, auf die richtige Länge (abzüglich der später eingefassten Kantenbreite!) geschnitten und die Kanten abgefeilt werden. Nun kann man diese in die Tunnel hinein schieben und auch die untere Kante der Korsage verschließen. Der zu kurz geratene Tunnel unter dem Körbchen sollte eigentlich schon durch dessen Annähen verschlossen sein. Die unversäuberten horizontalen Kanten habe ich nun mit “Schrägband” eingefasst. Mein Zierstoff war leider sowieso elastisch (wenigstens nur in eine Richtung), deshalb brauchte ich keinen 45° Winkel für die Streifen. Diese habe ich dann rechts auf rechts bei bündigen Kanten mit 1cm Nahtzugabe befestigt. Weil es mir dann doch zu breit erschien und meine Kanten nicht alle aufeinander trafen, habe ich die rohe Kante vor dem Einfassen noch auf eine gleichmäßige Breite von etwa 7mm getrimmt. Im Anschluss wird das Schrägband darüber gefaltet und mit eingeschlagener Kande per Hand an der Korsageninnenseite angenäht.

da liegt das schöne Teil

Und fertig ist auch “schon” die Korsage! Wobei es mir doch sehr flott vorkam.

Weiter ging es mit dem Rock. Dafür hatte ich ja genügend Stoff, aus dem ich mir die Rockteile nach folgendem Schema ausgeschnitten habe:

die kurzen Kanten der Rockteile ergeben zusammen meinen Taillenumfang (+Nahtzugabe), der Winkel ist relativ willkürlich gewählt

Es gab ein Vorderteil, das später hochgerafft würde, zwei Rückteile und einige dünne Streifen, die zusammen genäht und mit einem Kräuselfuß in der Länge stark gekürzt und aufgerafft wurden. Lustigerweise passte die Länge der Rüschen am Ende ziemlich genau auf den unteren Rockumfand. Nebenbei erwähnt, ich habe so gut wie alle Nähte hier französisch genäht. Mein Verschluss bestand aus einem Reißverschluss im Rücken. Die vorderen Raffungen haben mir mehr zu denken gegeben als gehofft, aber als ich schließlich die richtige Position und Länge heraus gefunden hatte, habe ich diese per Hand gekräuselt. Mein großer Fehler hier war, einen einfachen Nähfaden zu verwenden, denn einmal Hängenbleiben und er war gerissen… Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte wenigstens den Faden doppelt genommen, wenn nicht sogar die Falten einzeln fixiert. Nachträglich ist das 100x komplizierter.

Als Dekoelement bekam der Rock noch rote Lederstreifen, die die Raffung optisch halten sollten, welche ich vorher mit je drei Ösen verziert hatte. Außerdem war mir die Rückseite des Rocks zu schlicht, weshalb ich noch ein weiteres Stück Stoff mit Rüschen versehen und an ein Band genäht hatte, welches einseitig fest mit dem Rock verbunden und an der anderen mit Druckknöpfen zu befestigen ist. Ich habe hier einfach ein kleineres Rechteck verwendet, dessen Kanten ich etwas abgerundet hatte. Und so war der Rock innerhalb eines Tages fertig.

Fehlt nur noch die Muschel. Die hatte ich ja schon vom letzten Jahr prinzipiell gebastelt, wenn ich Zeit habe zeige ich noch einmal grob, wie ich das angestellt habe. Die Muschel ist bis dato jedenfalls komplett einfarbig kupfern gewesen. Mit goldener Acrylfarbe an den Kanten und Erhebungen und Dunkelbraun in allen Rillen und Vertiefunden, immer etwas verschmiert mit Fingern und Tüchern, sah die Muschel nach ein paar Stunden am Abend gleich viel realistischer – so realistisch wie eben möglich – aus und eine zusätzlich innen angebrachte Sicherheitsnadel erlaubte eine stabile Befestigung direkt an der Korsage. Ein Band zum Schnüren war schließlich nur noch für den korrekten Sitz von Nöten.

der fertige Muschel-BH oder Rüstung oder was auch immer^^

Dazu gab es noch eine rote Lace Front Perücke, einen Haarreif mit Seestern (den ich schon hatte) und als Props eine goldene Gabel und einen Spitzen-Sonnenschirm. Somit war mein Arielle inspiriertes Kostüm oder auch Cosplay fertig! Neu gekauft habe ich dafür lediglich die Ösen, Band zum Schnüren und ein wenig mehr Stäbchen, alles andere hatte ich schon auf Lager. Ich hatte am Ende der 6 Tage also nicht nur ein neues Kostüm, sondern auch noch ein wenig meiner unendlichen Ansammlungen an Stoffen verbraucht. Yay!

Ich hoffe, der Artikel ist nicht ganz so chaotisch wie diese 6 Tage geworden, und war wenigstens etwas informativ oder interessant zu lesen. Generell hätte ich viel weniger als 6 Tage brauchen können, weil aber immer nur die Abende zum Nähen und Basteln heran gezogen wurden, hat es die Zeit doch bis zur letzten Minute und vielen Nachtschichten ausgefüllt. Hoffentlich trage ich es bald einmal wieder, um noch mehr tolle Bilder machen zu können.

Bis dahin,
~Alina